50 Jahre nach Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft: Was ist die Bilanz der Iren?

Eine der großen aktuellen Herausforderungen Europas ist ein zunehmender Nationalismus und das Bestreben einiger politischer Parteien und Gruppierungen in Ländern der EU, mehr politische Prozesse wieder zu de-europäisieren. Bewegungen wie Frexit, Öxit, Swexit orientieren sich am Brexit des Vereinigten Königreichs und streben den Austritt weiterer EU-Staaten aus der Europäischen Union an. Wenn also in Frage gestellt wird, wie sinnvoll eine politische und wirtschaftliche Union ist, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, welche konkreten Vorteile die EU ihren Mitgliedsstaaten bietet – unabhängig von unmessbaren Gewinnen wie Weltoffenheit, Reisefreiheit, internationale Solidarität und Freundschaft. Schauen wir uns also Irlands Bilanz nach nun 50 Jahren seit 1973 EWG-Mitgliedschaft an:

Umfragen zufolge befürworten 70 bis 90 Prozent der befragten Iren, dass sie der EU angehören. Der Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat große Vorteile für Irland mit sich gebracht, die Wirtschaft des Landes geöffnet und ausländische Direktinvestitionen angelockt. Das Hoch traf die Wirtschaft des Landes jedoch erst nach einem anfänglichen Tief. Irland war damals sehr landwirtschaftlich orientiert, wurde von den Ölpreisschocks in den 1970ern erschüttert, und viele irische Waren konnten sich auf dem internationalen Markt nicht halten. Die daraus resultierende hohe Arbeitslosenquote und Staatsverschuldung machten Irland zu einem eher armen Land.

Die Unterstützung der EU nach Beitritt zur EWG half Irland maßgeblich, seine Wirtschaft wieder anzukurbeln und zu erholen. Irland investierte viel in sein Bildungssystem und hat somit gute Arbeitskräfte zu bieten, die seit den 1990er-Jahren in Verbindung mit einer Körperschaftssteuer von nur 12,5% ausländische Investitionen anlocken. Größter Sektor in Irland sind Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik und der Pharmaindustrie – aus diesen Gründen ist die Wirtschaft Irlands auch während der Corona-Pandemie weiter gewachsen. Irland gehört heute zu den reichsten Ländern der EU.

Auch im Bezug auf die Emanzipation der Frauen und moderne Familienmodelle brachte der Beitritt zur EU deutliche Fortschritte mit sich. Die “Commission on the Status of Women” entstand, die Geschlechterungleichheiten untersuchte. Unter Anderem wurde damit ein Arbeitsverbot für verheiratete Frauen, das Anfang der 1970-er Jahre noch in Irland in Kraft war, gelockert. Auch wurde mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds Kinderbetreuung finanziert und somit Frauen erst ermöglicht, nicht nur ihrem Leben als Hausfrau, sondern auch als arbeitende Frau nachzugehen. Natürlich sind einige fortschrittliche Beschlüsse nicht direkt auf die EU-Mitgliedschaft zurückzuführen, wie zum Beispiel die Zulassung der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare 2015, doch die EU als Werteunion hat höchstwahrscheinlich auch einen indirekten Einfluss auf gewisse souveräne Entscheidungen.

Tatsächlich sind die Ir:innen laut Eurobarometer der EU positiver gegenübergestellt als alle anderen Mitgliedsstaaten. Natürlich gibt es auch in der EU einige Baustellen und Verbesserungsbedarf, unter Anderem in den Bereichen Integration, Inklusion, Digitalisierung, Klimawandel, und weiteren wichtigen Bereichen – doch stellen wir als EU-Bürger uns einmal unseren Alltag ohne EU vor: von banalen Dingen wie beispielsweise einheitlichen Sicherheitsstandards und dem Rückgaberecht bei Internetkäufen zu großen Dingen wie Reisefreiheit und die Möglichkeit, unkompliziert in anderen Ländern zu studieren und zu arbeiten. Über all die Probleme und Herausforderungen dürfen wir nicht vergessen, welche Vorteile die EU-Mitgliedschaft jedem von uns bringt – teilweise, ohne dass wir uns dessen überhaupt noch bewusst sind, so sehr ist es zur Selbstverständlichkeit geworden.

NO/06-2023

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